LR berichtet: Ein bewegtes Leben voller Balance
Forst: Er trug einst mit seiner Frau Editha als Artisten-Duo "Die Cortinas" den Ruf von Forst in die Welt hinaus – und heute wird Manfred Mudlack 90 Jahre alt. Dass der agile Forster noch lange nicht zum alten Eisen gehört, beweist er immer wieder.
Flink wie ein Wiesel räumt Manfred Mudlack ein Utensil nach dem anderen aus seinem Abstellraum heraus – und schon balanciert er strahlend auf einer Glasrolle mit Glasplatte, die Arme in zwei Reifen kreisend. Kaum zu glauben, dass dieser Mann heute 90 Jahre alt wird.
Die Glasplatte habe er von einem Artisten bekommen, der darauf mit 100 Jahren balanciert habe, berichtet Manfred Mudlack. Ob er das auch vorhabe? "Selbstverständlich!", sagt der Forster. Er fühle sich selbst maximal wie 70, und sein Arzt sage, es sei alles in Ordnung. "Nur springen soll ich nicht mehr, da die Knochen nicht jünger werden", schmunzelt Manfred Mudlack. 30 Jahre Leistungssport auf dem Trampolin stecken in diesen.
"Springen ist wie Marathon", sagt Mudlack, der einst wie sein Vater Geräteturner war. Handstand – gern auf der Amphore im Rosengarten – oder Sprünge über kniende Jungen: Es konnte für ihn schon damals nicht waghalsig genug sein. Bei der Kriegsgefangenschaft hatte er sich selbst viele Kunststücke beigebracht, bevor er nach dem Krieg zunächst als Artist unter dem Namen Fred Cardis als "menschliches Springwunder" auftrat.
Er zeigt dazu Bilder aus dem Buch "Die Cortinas – Aus Forst in die Welt und wieder zurück", das 2010 erschienen ist und von Journalistin Ingrid Ebert zusammengestellt worden war. Und er erzählt Episode um Episode detailgetreu und ausschweifend nach. Alle Jahreszahlen, Kleidungsfarben oder Aussagen der Beteiligten kann er beisteuern.
"Es waren ganz tolle Erlebnisse", schwärmt Mudlack und ist fast ein bisschen traurig, dass alles vorbei ist. Doch immerhin: Bis zum Alter von 60 Jahren ist er Trampolin gesprungen und verlegte sich danach auf Anraten seiner Frau Editha (82) auf das Dressieren und Balancieren von Tauben. "Eine sehr gute Idee", lobt Manfred Mudlack seine Frau, mit der ihn eine inzwischen 63-jährige Ehe verbindet. Er hatte sie, ein Mitglied der weitverzweigten Schausteller- und Zirkusfamilie Sperlich, 1951 im Zirkus Proscho kennengelernt. Schon 1956 standen sie als "Die Cortinas" gemeinsam auf der Bühne oder in der Arena. Die Gruppe, anfangs noch vierköpfig, hatte sich nach dem Austragungsort der Olympischen Spiele 1956, Cortina d'Ampezzo, benannt. In 27 Ländern von Algerien bis Zypern zeigten sie im Zirkus oder auf Galas und Tourneen ihre Kunst – Manfred Mudlack hatte seine Eigenkreation, ein klappbares Trampolin fürs Flugzeug, stets dabei. Er entwickelte immer wieder neue Originaltricks wie den Sprung mit Bällen zwischen Armen und Beinen, die der Familie mit Sohn Jürgen Leistungszulagen einbrachten. "Heutzutage haben Berufsartisten keine Zukunft", bedauert er.
Dennoch gehört das Anleiten von anderen Artisten oder Laien schon immer zu Mudlacks Vorlieben – auch die RUNDSCHAU-Reporterin kann sich einer Probe auf der Rolle nicht entziehen. Allein 100 Kinder und Jugendliche haben die Mudlacks in 45 Jahren bei der SG Dynamo und später beim Polizeisportverein 1893 Forst als Sportakrobaten ausgebildet. Nur eine von ihnen, Cynthia Bergmann (31), ist in Forst geblieben und hat nun begonnen, das Training von den Mudlacks zu übernehmen. Die Artisten-Urgesteine sind jedoch weiterhin jede Woche dabei.
Dafür, dass sie Forst in die Welt getragen haben, bekamen sie 2004 die Forster Ehrenmedaille und 2014 den brandenburgischen Verdienstorden.
Manfred Mudlack räumt seine Utensilien wieder ein – in den Raum neben das Klapptrampolin und die glitzernden Kostüme.
Steffi Ludwig